Hintergrund
Die Stempelsteuer ist in der Finanzbranche unbeliebt – nicht ungewöhnlich für eine Steuer. Dass dem Schweizer Finanzplatz durch diese Abgabe ein Wettbewerbsnachteil entsteht, da andere Finanzzentren keine solchen Abgaben kennen, ist nachvollziehbar. Die Abschaffung dieses bald hundertjährigen Abgabesystems wurde bereits 2009 auf politischer Ebene lanciert. Mehr als zehn Jahre später ist hier jedoch kein relevanter Fortschritt zu vermelden, auch wenn das Thema aktuell etwas aufgeflackert ist.
Pro memoria: Unter die Stempelsteuer fallen drei verschiedene Abgaben: 1) die Emissionsabgabe (auf der Ausgabe von Wertpapieren), 2) die Umsatzabgabe (beim Handel mit Wertpapieren) und 3) der Versicherungsstempel (auf Versicherungsprämien).
Chronik der Ereignisse
- Im Jahr 2009 reichte die liberale Fraktion der FDP die parlamentarische Initiative 09.503 zur schrittweisen Abschaffung der Stempelsteuer (Stempelabgabe) und Schaffung von Arbeitsplätzen im Nationalrat ein.
- Die zuständige Kommission des Nationalrates (WAK-N) entschied, dieses Vorhaben gestaffelt anzugehen – ein Teilprojekt zur Abschaffung der Emissionsabgabe und ein zweites zur Abschaffung der Umsatz- und Versicherungsabgabe.
- 2013 stimmte der Nationalrat dem Vorschlag der WAK-N zur Emissionsabgabe zu. Erst sieben Jahre später, nämlich diesen Januar, nahm sich der Ständerat der Vorlage an - mit dem Ergebnis, dass er das Projekt weiterhin solange auf Eis legt, bis die WAK-N Klarheit hat über das Vorgehen bezüglich des zweiten Teilprojektes.
- Die Vernehmlassung für das zweite Teilprojekt zur Abschaffung der Umsatz- und Versicherungsabgabe lief sodann bis am 23. April 2020. Das weitere Vorgehen wird die WAK-N voraussichtlich im Q3 2020 bestimmen.
- Im Mai 2020 verkündet die WAK-N, dass auch sie eine Sistierung des Teilprojektes 1 plant – aus der Erwägung geht hervor, dass die Corona- und die damit drohende Wirtschaftskrise ein Grund ist.
Die Abschaffung der Steuer scheint als Krisengegenmittel nicht zu überzeugen
Die Initiative kommt nicht vom Fleck. Als Grund wird u.a. genannt, dass in der Vergangenheit andere Steuervorlagen (z.B. die Unternehmenssteuerreform) bevorzugt behandelt wurden. Auch diese Begründung lässt vermuten, dass die genannten Vorteile der Initiative (noch) nicht vollends überzeugen.
SwissBanking ist ein brennender Befürworter des Projektes. Für den Branchenverband ist klar, dass die Abschaffung der Abgaben die Standortattraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes verbessert, mehr Einnahmen generiert, und dadurch letztlich Arbeitsplätze geschaffen würden. Die Resultate wären zudem noch besser, wenn das Vorhaben mit einer Reform der Verrechnungssteuer verknüpft würde. Dies hielt SwissBanking in einem Positionspapier im April 2020 fest – untermauert mit Zahlen und Fakten.
Eigentlich tönt dies nach Aspirin im Kampf gegen die aktuellen Krisen-Kopfschmerzen und einem Finanzmarkt, der um seine Wettbewerbsfähigkeit kämpft. Trotzdem hat es die Politik nicht eilig. Die WAK-N lässt Anfang Mai verlauten, dass es aktuell nicht angebracht sei, dem Bund die Einnahmen aus der Emissionsabgabe zu entziehen, bevor bekannt sei, wie hoch das Haushaltsdefizit des Bundes im Zuge der Corona-Krise ausfallen wird.
Was man hat, das hat man…
Dass durch die Abschaffung der Stempelsteuer die Finanzmarktaktivitäten zunehmen würden, dadurch Investitionen stiegen, Wachstumsimpulse generiert würden und die so entstehenden Mehreinnahmen den Wegfall der Abgabe kompensieren würden, wie dies SwissBanking prognostiziert, scheint derzeit nicht zu überzeugen. Zu unsicher ist eine Prognose in einer aktuell verunsicherten Welt. Was man jedoch dank der Stempelsteuer hat, das ist über viele Jahrzehnte dokumentiert – ein greifbarer, quantifizierbarer Wert, den man zurzeit nicht aufs Spiel setzen möchte.