Die Bürgschaftsverordnung des Bundes: Löst sie die Negativzinsproblematik?

Der Bundesrat hat die Verordnung zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkung des Coronavirus publiziert und in Kraft gesetzt. Banken, in einem gewissen Ausmass auch die PostFinance, können schnell Kredite sprechen und der Wirtschaft Liquidität zuführen. Der Bundesrat lässt damit den Worten nun Taten folgen. In Rekordzeit wurde die entsprechende Notverordnung erlassen, welche sicherstellen soll, dass Unternehmen dringend benötigte Liquidität über die Banken beziehen können.

Was passiert nun mit den Negativzinsen?

Seit 2019 hinterlassen die Negativzinsen der SNB negative Spuren in den Erträgen der Banken. Dabei sind viele Banken dazu übergegangen, die Negativzinsen - bedingt durch die Restriktionen bei der Kreditvergabe sowie auch dem allgemein herrschenden Anlagenotstand - auf die Kunden abzuwälzen. Jüngst wurde auch verschiedentlich kommuniziert, diese Kosten vermehrt auf die Sparer abzuwälzen. Eine Anpassung dieser Politik ist trotz der angekündigten Erhöhung der Freibetragsgrenze durch die SNB nicht zu beobachten.

Durch den Abfluss von Liquidität bei den Banken im Rahmen der Umsetzung der Verordnung des Bundes, durch die einfach, schnell und unbürokratisch Kredite an Unternehmen vergeben werden können, entschärft sich neben der Erhöhung der Freigrenze die Negativzinsproblematik zusätzlich. Wir erwarten, dass für die Sparer hier ein positiver Effekt entsteht und sich die Belastung von Negativzinsgebühren reduziert.

Was bedeutet die vereinfachte Kreditvergabe für die Zinsrisiken?

Die geplante einfache Kreditvergabe von bis zu CHF 20 Milliarden für die Schweizer Wirtschaft wird angesichts der Bilanzsummen der Institute einen moderaten Einfluss auf die Bilanzstrukturen haben. Dennoch werden sich die Zinsrisiken leicht erhöhen, was zu zusätzlichen Kapitalanforderungen bei den Banken führen wird. Die Modelle für die Berechnung der Zinsrisiken sind entsprechend zu hinterfragen und allenfalls anzupassen.

Welchen Einfluss hat die einfache Kreditvergabe auf das Kreditrisikomanagement?

Gemäss den Richtlinien der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) zum Ablauf der Vergabe von Krediten sollen Beträge bis CHF 500'000 unbürokratisch mittels Selbstdeklaration des Kunden vergeben werden können, auch durch die PostFinance. Der Bund als indirekter Eigentümer des Instituts hebt somit faktisch das Kreditverbot für mindestens fünf Jahre bis zu dieser Betragsgrenze auf und schiesst indirekt mittels Bürgschaft Kapital in sein Institut ein.

Bei den Retailbanken wird der Zusammenhang mit bestehenden Kreditengagements und allfälligen bereits problematischen Kreditpositionen ausgeblendet. Faktisch greift hier der Bund in die Kreditpolitik der Banken ein und hebelt die Grundsätze zum Risikomanagement aus. Kurzfristig gesehen gibt es allerdings keine echte Alternative dazu. Hingegen sehen wir das Risiko, dass hier über die maximal fünf Jahre Laufzeit der Kredite Arbitrage betrieben werden kann. Das betrifft namentlich das Verhältnis zwischen den bestehenden Bankkrediten sowie den Krediten, welche im Rahmen der Verordnung an den gleichen Kreditnehmer gewährt wurden. Was passiert, wenn der bestehende Bankkredit in Bezug auf Amortisation und Zins bedient wird, aber nicht der Kredit, welcher im Rahmen der Verordnung gewährt wurde?

Was sind die Nebeneffekte der Massnahmen des Bundes?

Jede Regulierung wird mittelfristig von Nebeneffekten begleitet. Die Themen dazu sind:

  • Strukturerhaltungspolitik;
  • herausgeschobene Kreditausfälle können zur Schönung der Bilanzen beitragen;
  • Begehrlichkeiten seitens der Banken, aber auch deren Kunden für mehr staatliche Unterstützung;
  • Erhöhung der Betrugsrisiken durch nicht qualifizierte Anfragen, welche aufgrund der vereinfachten Kreditvergabe entstehen;
  • Abgrenzungsprobleme bei Verantwortlichkeiten: Wer ist schuld, sollten zahlreiche dieser neu vergebenen Kredite wirklich ausfallen - der Verwaltungsrat der Bank oder der Bund?

Unsere Empfehlungen

  • Banken sollten ihre Kreditvergabeprozesse und deren Überwachung unter den neuen Gegebenheiten rasch überarbeiten. Für die zusätzliche Kreditvergabe - vor allem an bestehende Kunden - sind Neubeurteilungen der Kreditratings, und daraus folgend der Konditionen, rasch zu erstellen. Dabei soll risikoorientiert vorgegangen werden.
  • Die Überwachung der Kreditnehmer muss intensiviert werden.
  • Die Rückstellungssystematik ist zu überprüfen. Sobald die Jahresabschlüsse der Kunden vorliegen, wird ersichtlich, dass die Krise trotz Liquiditätshilfen nachhaltige Spuren hinterlässt.
  • Regelungen bei Konsortialkrediten sind mit besonderer Vorsicht zu beurteilen.
  • Die Kreditpolitik muss überarbeitet werden. Auch Fragen im Zusammenhang mit Liquiditätskennzahlen, der Berechnung von Zinsrisiken sowie der Einhaltung der Risikoverteilungsvorschriften sind zu überprüfen, v.a. bei grösseren zusätzlichen Kreditvergaben.

Im aktuellen Ausnahmezustand begrüssen wir die Hilfe für besonders getroffene KMU sehr. Unter Druck wird rasch und unbürokratisch gehandelt. Gute Führung erfordert eine klare, vorsichtige Vorgehensweise. Deshalb müssen die hier dargelegten Fragestellungen durch die Banken risikoorientiert und zügig angegangen werden.

25.03.2020




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