Die EU hat eine Richtlinie erlassen, welche eine abschreckende Wirkung auf aggressive Steuerplanungspraktiken entfalten soll. Wer auf diesem Gebiet aktiv ist, muss wissen, dass ab diesem Jahr neue Offenlegungsregeln und Meldepflichten gelten.
Falls Sie noch nichts von diesem neuen Regime gehört haben, erstaunt das nicht sonderlich, denn obwohl diese zusätzliche Verdichtung des automatischen Informationsaustauschs in Steuersachen auch für schweizerische und liechtensteinische Akteure eine praktische Bedeutung haben kann, blieb die grosse Aufregung bis jetzt aus. Warum?
Mit den nationalen Gesetzgebungen konkretisiert sich allmählich der rechtliche Rahmen
Die besagte EU-Richtline 2018/822 vom 25. Mai 2018 mit dem Kurznamen DAC6, musste in den EU-Staaten durch nationale Gesetze bis zum 31. Dezember 2019 umgesetzt werden. Aus der Übersicht von EUR LEX lässt sich schliessen, dass die nationalen Regulierungen erst spät umgesetzt wurden. Es sind aber genau diese Gesetze, welche die betroffenen Akteure endgültig zum Handeln bewegen. Solange die nationalen Rahmenbedingungen und konkreten Umsetzungsmassnahmen offen waren, wurde wohl zugewartet.
Erste Meldungen sind erst dieses Jahr fällig und der Umsetzungsaufwand ist überschaubar
Die ersten Meldungen sind erst dieses Jahr fällig. Ab dem 1. Juli 2020 müssen relevante Steuervereinbarungen innerhalb von 30 Tagen, nachdem die Vereinbarung bereitgestellt wurde, an die Behörden gemeldet werden.
Für Vereinbarungen, welche vor diesem Zeitpunkt existierten, gilt der Stichtag 25. Juni 2018: Ab diesem Zeitpunkt abgeschlossene Vereinbarungen müssen bis zum 31. August 2020 gemeldet werden. Dieser rückwirkende Zeitraum von zwei Jahren ist im Vergleich zu anderen Regulierungen eher kurz. Zudem ist anzunehmen, dass die zahlreichen Initiativen im Bereich der Steuertransparenz ihre Spuren hinterlassen haben. Die Steuerprodukte und die Kundschaft haben sich verändert, die Compliance-Bemühungen sind gestiegen – all dies trägt heute dazu bei, dass die neuen Pflichten keine grosse Aufregung auslösen.
Der Kreis der Meldepflichtigen lässt sich stark eingrenzen
Herauszufinden, wer welche Informationen an welche Behörde unter welchen Umständen melden muss, ist kompliziert. Meldekaskaden, Ausnahmebestimmungen, Konstellationen und «Kennzeichen» kommen dabei zur Anwendung.
Nachfolgend seien die wichtigsten Eingrenzungskriterien genannt:
- Eine meldepflichtige Vereinbarung kann sich - vereinfacht gesagt - durch das Erlangen eines Steuervorteils, das Umgehen/Aushöhlen von Steuergesetzen, das Ausnützen von präferenziellen Steuerregimen oder das Errichten von Strukturen mit Verschleierungspotential charakterisieren.
- Eine zu meldende Vereinbarung muss einen grenzüberschreitenden Charakter haben.
- Mindestens eine der an der Vereinbarung beteiligten Parteien muss einen EU-Konnex aufweisen.
- Die primäre Meldepflicht liegt beim Intermediär. Intermediär ist jede Person, die eine meldepflichtige Vereinbarung konzipiert, vermarktet, organisiert oder zur Umsetzung bereitstellt oder eine Person, welche die Umsetzung einer solchen Gestaltung verwaltet. Zudem muss der Intermediär einen EU-Konnex aufweisen.
- Kann die Meldung nicht von einem Intermediär vorgenommen werden, ist es möglich, dass sich die Meldepflicht auf den Steuerzahler verschiebt.
Was schliessen wir daraus?
Besteht im Zusammenhang mit Steuerplanungsvereinbarungen (Strukturen, Konstrukten, etc.) ein EU-Konnex (via Betriebsstätte, Kunde, Registrierung, Lizenzierung, etc.), ist es ratsam, die eigene Betroffenheit abzuklären. Bei Nicht-Einhaltung von Meldepflichten drohen Bussen. Gemeldet werden u.a. die beteiligten Intermediäre, die Steuerpflichtigen und der Wert der Vereinbarung.
Ob die Steuerplanung dadurch zum Spiessrutenlauf wird, hängt massgebend von der Intension der Beteiligten ab. Steuerschlupflöcher werden sicher seltener, Steuerbetrug noch schwieriger, Steuerplanung nicht entspannter.