Anlegerschutz im Jahr 2025:
Eine Zeitreise
Anlegen heute, im Jahr 2025
Anleger führen ihre Geschäftsbeziehungen heute mit einer Vielzahl von Finanzdienstleistern. Dabei werden etablierte Vergleichs- und Bewertungsportale genutzt, welche die Zufriedenheit der Anleger mit den Dienstleistern erfassen und veröffentlichen, um den Anlegern so einen ersten qualitativen Überblick zu ermöglichen.
Je nach Bedürfnis wählen Anleger dann situativ den für die bestimmte Transaktion vorteilhaftesten Finanzdienstleister aus. Auf künstlicher Intelligenz basierte «Investment Butler» durchforsten die jeweiligen Konditionen der verschiedenen Finanzdienstleister und ermitteln den für die angedachte Transaktion beziehungsweise Dienstleistung attraktivsten Anbieter. Über Plattformen können Anleger ihre Anlagebedürfnisse ausschreiben und erhalten von den partizipierenden Finanzdienstleistern Investitionsofferten.
Mit der E-ID identifizieren sich Anleger via Blockchain gegenüber den Finanzdienstleistern und hinterlegen auf dem gleichen Weg ihre KYC-Informationen und Anlagebedürfnisse. Das Onboarding inklusive Vertragsunterzeichnung erfolgt mittels Fingerabdruck auf dem Mobile Device. Alle Finanzdienstleistungen stehen den Anlegern ohne Zusatzkosten über digitale Kommunikationskanäle offen.
Mit einem staatlichen «Social Scoring», das heisst mit Punktevergaben für erwünschtes, ausserregulatorisches Verhalten (z.B. hinsichtlich des Umgangs mit Nachhaltigkeit), ist ein neuer Anreiz für die Erbringung von Finanzdienstleistungen etabliert. Ein hoher «Social Score» führt zu Steuererleichterungen, die wiederum mittels tieferer Gebühren an die Anleger weitergegeben werden.
Kunden und Finanzdienstleister betreiben gegen Entlöhnung «Securities Lending» und «Data Lending» mittels Smart Contracts, wonach Anlegerdaten für eine bestimmte Gültigkeits- und Verwertungsdauer mit anschliessender Löschungspflicht an Big-Data-Verarbeiter «ausgeliehen» werden.
Anlegerschutz gestern - Regeln definieren
Als Reaktion auf die für die Finanzwelt und Anleger erschütternden Verwerfungen der 2000er Jahre, wurden vor sieben Jahren im EU/EWR-Raum Anlegerschutzregeln durch die MiFID II aufgestellt. Die Schweiz folgte vor fünf Jahren mit der Einführung des FIDLEG.
FIDLEG und MiFID II ging es damals, vereinfacht gesagt, primär um zwei Ziele:
- Die Pflicht des Finanzdienstleisters, sich individualisiert mit den Bedürfnissen und Möglichkeiten des Kunden auseinanderzusetzen und dadurch adäquate Handlungen vorzunehmen, sowie
- die Überwindung der inhärenten Informations-Asymmetrie zwischen Anleger und Finanzdienstleister durch erhöhte Informations-, Aufklärungs- und Dokumentationspflichten für die Finanzdienstleister; diese sollten gewährleisten, dass Anleger wohlinformierte Entscheidungen treffen können.
Der politische Wille zu verstärktem Anlegerschutz war damals klar. Weniger klar war hingegen die Frage, wie die Vorgaben durch die Finanzdienstleister kundenfreundlich umgesetzt werden können.
So wurde beispielsweise vorgebracht, die Vorgaben würden aus Anlegersicht zu einer Flut von Informationen und Dokumentation führen und Finanzdienstleistungen für bestimmte Anlegergruppen einschränken beziehungsweise diese verteuern. Skeptiker meinten, dass dies den Erwartungen der Anleger an moderne und digitale Finanzdienstleistungen entgegenstünde.
Weiter wurde mancherorts angezweifelt, ob die regulatorischen Vorgaben den erwünschten Anlegerschutz auch tatsächlich zu bewirken vermögen: Zum einen, so wurde argumentiert, bewirke das Konzept des wohlinformierten Anlegers einen Transfer der Verantwortlichkeit vom Finanzdienstleister hin zum Anleger, zum anderen monierte man, dass die Anleger durch die Komplexität der sie schützenden Regelungen überfordert sein könnten.
Anlegerschutz heute, im Jahr 2025 - Umsetzung optimieren
Vor und auch noch einige Zeit nach Inkrafttreten des FIDLEG nahmen zahlreiche Finanzdienstleister das neue Gesetz zum Anlass, um eine Standortbestimmung vorzunehmen. Die Finanzdienstleister passten daraufhin ihr Angebote an - sei es durch Erweiterung des Dienstleistungsspektrums mit vom FIDLEG nicht erfassten Dienstleistungen oder Verlagerung des Schwerpunkts auf vom FIDLEG weniger stark regulierte Bereiche. Weiter war vermehrt eine Überprüfung der Rentabilität des Crossborder-Kundenstamms und ein Fokus auf spezialisierte Nischen-Dienstleistungen, wie etwa Themen-Mandate in der Vermögensverwaltung, zu beobachten.
Und was beschäftigt nun aus Anlegerschutzsicht die Finanzdienstleister heute, rund fünf Jahre nach Inkrafttreten des FIDLEG? Nachdem die Umsetzung der regulatorischen Vorgaben in den letzten Jahren sichergestellt wurde, prüfen heute viele Finanzdienstleister ihr vorhandenes Optimierungspotenzial. Dabei schreitet die Fokussierung auf Kernkompetenzen weiter voran. Und damit einhergehend auch die Auslagerung aller nicht zur Kernkompetenz gehörenden Bereiche an Spezialisten. Finanzdienstleister bilden Interessengruppen, standardisieren ihre Vorgehensweisen und ihre Prozesse und greifen über Schnittstellen zu einer zentralen Verarbeitungseinheit der Interessengruppe auf diese zu.
«Compliance Crawler», basierend auf Algorithmen, durchsuchen die Systeme der Finanzdienstleister und analysieren die Einhaltung von Anlegerschutzbestimmungen. Diese werden durch menschliche Compliance-Spezialisten gewartet, überprüft und ausgewertet. Aber auch die Prüfgesellschaften setzen vom Regulator bewilligte «Kontrollmaschinen» ein, mit denen sie allfällige Abweichungen von den Vorgaben nach einer Prüfung beziehungsweise nach der Freigabe durch einen Auditor in Echtzeit via halbprivater Blockchain an die jeweiligen Aufsichtsbehörden übermitteln.
Fazit und Ausblick
Auch nach der Einführung des FIDLEG und der darauffolgenden Umsetzungsoptimierung ist damit zu rechnen, dass das Thema Anlegerschutz weiterhin unter regulatorischer Beobachtung stehen wird. Doch trotz Anlegerschutz, FIDLEG, Corporate-Governance-Bestimmungen und anderer politischer Bemühungen ist folgendes klar: Der effizienteste Anlegerschutz besteht - gestern, heute genauso wie morgen - aus Finanzdienstleistern, die sich ihrer niedergeschriebenen Werte und Visionen nachhaltig und langfristig verpflichtet fühlen und auf die Integrität ihrer Mitarbeitenden zählen können.