Umfassende Analyse der CS-Krise
Mittels Liquiditätshilfe der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und der anschliessenden Übernahme durch die UBS konnte 2023 ein Ausfall der Credit Suisse als global systemrelevante Bank (G-SIB) verhindert werden. Dennoch verdeutlichte die CS-Krise die Notwendigkeit, die Too-Big-To-Fail-Regulierung eingehend zu prüfen und gezielt auszubauen, um solchen und ähnlichen Ereignissen insbesondere mithilfe effektiver Prävention entgegenzuwirken. Dies erfordert, Unzulänglichkeiten des bisherigen Dispositivs zu erkennen und die regulatorischen Rahmenbedingungen entsprechend anzupassen bzw. zu erweitern. Zu diesem Zweck wurde eine Untersuchung eingeleitet.
Die Ergebnisse der vertieften Evaluation wurden am 10. April 2024 im Bericht des Bundesrates zur Bankenstabilität publiziert (zur Medienmitteilung und zum Bericht des Bundesrates). Wie im Bericht ausgeführt wird, habe sich im Rahmen der Untersuchung gezeigt, dass sich viele der bereits ergriffenen Massnahmen zur Finanzstabilität bewährt haben, gleichzeitig aber auch Schwachstellen im Regelwerk identifiziert wurden, die eine Weiterentwicklung erfordern. Dabei soll es weniger darum gehen, die Involvierung des Staates zu erweitern, vielmehr liegt der primäre Fokus auf einer gestärkten Eigenverantwortung der Finanzinstitute und deren Kundinnen und Kunden.
Der Bericht legt dar, dass die geplanten Massnahmen in erster Linie auf systemrelevante Banken (SIBs) und teilweise speziell auf G-SIBs ausgerichtet sind. Allerdings wird auch erwähnt, dass bestimmte Massnahmen - primär im Zusammenhang mit der Corporate Governance und den Aufsichtsinstrumenten der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) - einen breiteren Anwendungsbereich aufweisen und sich demnach auch auf andere Finanzinstitute erstrecken können.
Verschärfung und Erweiterung der Massnahmen
Der festgestellte Handlungsbedarf gliedert sich in drei Stossrichtungen, welche jeweils spezifische Massnahmen zur Optimierung des entsprechenden Feldes aufzeigen.
Stossrichtung 1 - Stärkung des Dispositivs im Bereich der Prävention
Um die Widerstandsfähigkeit und Stabilität von SIBs in der Schweiz zu stärken, sieht der Bundesrat mehrere präventive Massnahmen vor. Zunächst sollen die Corporate Governance und die Aufsicht verbessert werden. Hierzu soll ein Verantwortlichkeitsregime für Führungskräfte (Senior Managers Regime) eingeführt werden, um zusammen mit Regelungen für variable Vergütungen ein verantwortungsbewusstes Risikomanagement zu fördern. Zudem soll die FINMA erweiterte Eingriffsmöglichkeiten erhalten, um effektiver auf potenzielle Risiken reagieren zu können, etwa durch zusätzliche Auskunfts- und Meldepflichten.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Erhöhung der Eigenmittelanforderungen. Diese sollen strenger umgesetzt und gezielt verstärkt werden, insbesondere in Bereichen, die sich während der Krise der CS als problematisch erwiesen haben. Internationale Standards und Wettbewerbsfähigkeit sollen dabei berücksichtigt werden.
Schliesslich wird auch die Wichtigkeit der Frühintervention und Stabilisierung von angeschlagenen Banken betont. Die FINMA soll erweiterte Befugnisse und Pflichten erhalten, um bei Anzeichen von Problemen frühzeitig eingreifen zu können. Sofern geeignet, sollen in diesem Kontext auch Marktindikatoren einbezogen werden.
Stossrichtung 2 - Stärkung des Dispositivs im Bereich der Liquidität
In Anbetracht der jüngsten Ereignisse rund um die CS zielt die Stärkung des Liquiditätsdispositivs im Schweizer Bankensektor darauf ab, ein robustes und anpassungsfähiges Finanzsystem zu schaffen, das den Herausforderungen aktueller Liquiditätsrisiken gewachsen ist. Im Zentrum steht die Liquiditätssicherung in der Krise durch die Implementierung eines dreistufigen Schutzkonzepts. Dieses umfasst verstärkte bankeigene Liquiditätsreserven, einen erweiterten Unterstützungsmechanismus durch die Zentralbank und eine staatliche Liquiditätsabsicherung als ultima ratio.
Die erste Stufe des Schutzkonzepts fokussiert auf die Stärkung der bankeigenen Liquiditätshaltung. Banken müssen ihre eigenen Liquiditätsreserven ausbauen, was durch besondere Liquiditätsanforderungen von den SIBs bis Ende 2024 umgesetzt werden muss. Diese Anforderungen werden bis 2026 auf ihre Wirksamkeit überprüft.
Die zweite Stufe sieht eine Erweiterung der Unterstützungsmöglichkeiten durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) vor. Hierzu gehört die Überarbeitung der rechtlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf die Abdeckung des Liquiditätsbedarfs in einer Krise, mit dem Ziel, die Zentralbank als Sicherheitsnetz (Lender of Last Resort, LoLR) effektiver zu gestalten und das Potenzial zur Liquiditätsversorgung über den LoLR auszweiten. Im Rahmen der Umsetzung des Postulats 23.3445 «Überprüfung des Instrumentariums der SNB» soll die entsprechende Regulierung geprüft und ggf. angepasst werden.
Die dritte Stufe bezieht sich auf eine staatliche Liquiditätssicherung (Public Liquidity Backstop, PLB). Es soll gesetzlich verankert werden, dass im Krisenfall eine staatlich garantierte Liquiditätshilfe zur Verfügung steht. Die entsprechende Gesetzesvorlage wurde im September 2023 dem Parlament vorgelegt, um die Schweiz an internationale Krisenmanagement-Standards anzugleichen.
Stossrichtung 3 - Erweiterung des Instrumentariums für den Krisenfall
Um die Krisenresilienz im Bankensektor zu stärken, ist es entscheidend, die Abwicklungsmechanismen für systemrelevante Banken zu optimieren. Trotz eines breiten Massnahmenspektrums bleibt ein Restrisiko für Bankinsolvenzen bestehen, weshalb es wichtig ist, dass SIBs im Ernstfall kontrolliert abgewickelt werden können. Zu diesem Zweck sollen die Abwicklungsplanung bzw. -strategien, insbesondere für G-SIBs, verfeinert werden. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf der Reduzierung von Rechts- und Umsetzungsrisiken. Zudem ist es notwendig, das Instrumentarium für verschiedene Krisenszenarien zu erweitern und die Eigenkapitalvorschriften anzupassen, um die Abwicklungsfähigkeit zu erhöhen.
Ein weiteres Handlungsfeld stellt die Krisenorganisation und die Zusammenarbeit der Behörden dar. Die Krise der CS hat verdeutlicht, dass die aktuellen Strukturen im Wesentlichen tragfähig sind, aber mögliche Optimierungspotenziale in Bezug auf Rollen und Verantwortlichkeiten geprüft werden sollen. Zudem soll die Koordination zwischen den Behörden, konkret der FINMA, der SNB sowie dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD), gestärkt werden.
Fazit
Die vorgeschlagenen Änderungen verfolgen mehrere zentrale Ziele, die darauf fokussieren, die Stabilität und Widerstandsfähigkeit des Schweizer Bankensystems zu stärken. Mittels präventiver Massnahmen sollen Risiken minimiert und die Wahrscheinlichkeit schwerwiegender finanzieller Turbulenzen folglich deutlich reduziert werden. Zudem soll durch eine verbesserte Regulierung, erhöhte Transparenz und erweiterte Sicherheitsmechanismen das Vertrauen in das Bankensystem gestärkt werden. Im Weiteren soll durch die Entwicklung fortschrittlicher Instrumente und Prozesse ein proaktives Krisenmanagement ermöglicht werden, welches eine frühzeitige Erkennung und effektive Bewältigung von Krisen erlaubt. Dabei gilt es, die Anpassungsfähigkeit des Systems sicherzustellen, um auf sich rasch verändernde Marktbedingungen und neue Risikoformen adäquat reagieren zu können. Die Bestrebungen sollen überdies dazu beitragen, die Schweizer Vorschriften mit internationalen Standards in Einklang zu bringen und die weltweite Finanzstabilität zu unterstützen.
Letztlich soll ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Gewährleistung eines starken TBTF-Dispositivs sowie der Aufrechterhaltung der Effizienz und Profitabilität des Bankensektors geschaffen werden. Diese ganzheitliche Herangehensweise soll die Stabilität und Resilienz des Schweizer Finanzsystems nachhaltig verbessern und seine Wettbewerbsfähigkeit im globalen Kontext sichern.
Inwiefern die geplanten Massnahmen tatsächlich geeignet sind, um einen «Fall CS» in der Zukunft zu verhindern, muss sich zeigen. Schliesslich steht und fällt die Zielerreichung damit, wie die neuen Instrumente bzw. die Kompetenzen dann auch effektiv in der Praxis angewendet und gelebt werden.