Die EU-(Umwelt-)Taxonomie gilt als eines der komplexesten und umfangreichsten Regulierungsprojekte aller Zeiten. Nun bekommt sie noch eine Schwester – die EU-(Social-)Taxonomie.
Einbettung und aktueller Stand der (Umwelt-)Taxonomie
Die EU-(Umwelt-)Taxonomie wird schrittweise 2022 (Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel) und 2023 (nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen, Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Verschmutzung, Schutz von Ökosystemen und Biodiversität) ausgerollt. Dies wird begleitet von hitzigen Diskussionen über die Einbeziehung von Kernenergie und Erdgas in die Umwelt-Taxonomie.
Weiterhin werden auch noch nicht alle Wirtschaftszweige durch die Umwelt-Taxonomie abgedeckt. Zwischenzeitlich ist jedoch klar, dass Unternehmen, die sich nicht direkt als «taxonomy-aligned» klassifizieren können, durch entsprechende Offenlegung (entlang der kommenden Corporate Sustainability Reporting Directive CSRD) als ESG-Anlage positionieren können.
Ziele und Struktur der (Social-)Taxonomie
Die EU-Plattform für Sustainable Finance hat kürzlich ihren Abschlussbericht zu einer sozialen Taxonomie veröffentlicht, die neben dem «E» auch das «S» des «ESG» adressieren wird. Damit wird einer der Hauptkritikpunkte an der Taxonomie umgesetzt. Der Bericht befasst sich mit den Arten von Aktivitäten, die als sozial nachhaltig angesehen werden könnten, und legt eine mögliche Struktur für eine soziale Taxonomie fest. Dazu werden einige strukturelle Aspekte der Umwelttaxonomie wie die Entwicklung sozialer Ziele, die Art der wesentlichen Beiträge, die Kriterien, welche die Vorgaben zu «do no significant harm» und «minimum safeguarding» sicherstellen sollen, übernommen.
Die soziale Taxomonie verfolgt drei Ziele:
- Menschenwürdige Arbeit (auch für Arbeitnehmer in der Wertschöpfungskette)
- Angemessener Lebensstandard und Wohlbefinden für die Endnutzer des jeweiligen Produkts
- Integrative und nachhaltige Gemeinschaften und Gesellschaften
Die damit verbundenen Teilziele konzentrieren sich auf Gesundheit und Sicherheit, Gesundheitsversorgung, Wohnen, Löhne, Nichtdiskriminierung, Verbrauchergesundheit und den Lebensunterhalt der Gemeinschaften. Die Metriken, die zur Messung sozialer Angelegenheiten verwendet werden, sind noch fragmentierter als diejenigen, die für die Bewertung der Umweltauswirkungen im Einsatz sind. Dadurch wird die Entwicklung, die mit dem Aufbau der sozialen Taxonomie verbunden ist, noch anspruchsvoller.
Die Europäische Kommission wird basierend auf diesem Bericht noch dieses Jahr eine eigene Analyse vornehmen und nächste Schritte definieren. Es wird noch einige Zeit dauern, bis die soziale Taxonomie zur Anwendung gelangt. Aktuell sind Interessierte aufgefordert, sich aktiv einzubringen.
Warum braucht es die Taxonomie und die neuen Regelungen?
Investoren und Unternehmen wollen den Fokus vermehrt auf nachhaltige Wertgenerierung und weniger auf kurzfristige Profite legen. Dazu muss die Wertbetrachtung eines Unternehmens die bisher vorwiegend finanzielle Betrachtung um ökologische und soziale Auswirkungen ergänzt werden. Finanzgesellschaften schreiten von reinen Negativlisten für Investments (Exclusion) oder Best-in-Class-Ansätzen hin zur aktiven Schaffung von nachhaltigen Investitionsmöglichkeiten und Projekten. Das erfordert ein gemeinsames Verständnis und entsprechende Daten.
ESG-Investitionen werden in Organisationen fliessen, die eine Ausrichtung auf die Taxonomie nachweisen können. Die EU-Taxonomie ist der grundlegende Eckpfeiler einer Reihe von Vorschriften, die von der EU eingeführt werden. Insbesondere wird die Taxonomie die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) und die CSRD unterstützen.
Kritische Stimmen mögen anmerken, dass das Taxonomie-Monstrum damit noch komplexer und umfangreicher wird. Das ist korrekt. Die Taxonomie wird so aber auch ausgewogener und trägt der Grunddefinition von Sustainable Finance, welche alle drei Faktoren «Ecological», «Social» und «Governance» beinhaltet, Rechnung.
Und wo bleibt das «G»?
Nicht explizit in der Taxonomie verankert wird die Governance. Dafür bestehen jedoch zahlreiche Standards, Richtlinien und Frameworks, wie beispielswiese die ISO 37000 – Governance of Organisations. Wichtige Bausteine für die Transition sind ein Shift vom Shareholder Value zum Stakeholder-Ansatz, ein verstärktes Engagement der Aktionäre, die – nicht nur auf kurzfristige Gewinnmaximierung ausgerichtete – Incentivierung der Mitarbeitenden und ein Sichtbarmachen der Faktoren und Werte, die die aktuelle Finanzberichterstattung nicht, oder erst freiwillig, vorsieht.
Inwiefern betrifft das die Schweizer Unternehmen?
Direkt von der EU-Taxonomie betroffen sind Unternehmen und Finanzgesellschaften in EU-Staaten sowie Schweizer Unternehmen, die in der EU wirtschaften. Indirekt werden aber alle Schweizer Unternehmen betroffen sein, da davon auszugehen ist, dass die Schweiz nachziehen muss, um den Marktzugang aufrechtzuerhalten.