Es begann mit einem Brief
Im Januar 2019 wurden Banken, welche damals schon im Bereich der kryptobasierten Vermögenswerte («Crypto-Assets») aktiv waren, durch ein Schreiben der FINMA ausgebremst. Zentraler Punkt in diesem «Quasigesetz» war die Anforderung, dass Crypto-Assets (namentlich Zahlungs-Token) ein Risikogewicht von 800% für die Unterlegung von Markt- bzw. Kreditrisiken erhalten müssen. Dazu kam noch ein Netting-Verbot der entsprechenden Bilanzaktiven und -passiven. Fortan musste jeder Bitcoin-Franken (Gegenwert), welcher für die Kunden oder die Bank selbst in der Bankenbilanz gehalten wurde, mit 64 Rappen regulatorischem Eigenkapital unterlegt werden. Zusammen mit den vorgeschriebenen Eigenmittelpuffern bedeutete dies faktisch eine 1:1 Unterlegung. Das Bilanzgeschäft mit Crypto-Assets wurde damit weitgehend zum Erliegen gebracht. Die noch jungen Crypto-Banken und die bestehenden Banken, welche sich in das neue Geschäftsfeld gewagt haben, mussten ihre Geschäftsmodelle rasch anpassen. Dies führte zu einem weitgehenden Fokus auf ein reines Agent-Model (die Bank als Vermittler) oder zumindest zu einer drastischen Reduktion des Principal-Geschäfts (die Bank als Gegenpartei).
Das neue DLT-Gesetz
Hoffnung brachte das neue Distributed-Ledger-Technology-Gesetz («DLT-Gesetz»), welches jüngst in Kraft getreten ist. Das DLT-Gesetz bringt zusammen mit der Mantel-Verordnung verschiedene Verbesserungen des schweizerischen Rechtssystems im Zusammenhang mit dem Einsatz dieser Technologien. Nennenswert ist die Einführung sogenannter Registerwertrechte, welche etwa die Digitalisierung von Aktien ermöglichen, oder die Einführung einer Lizenz für DLT-Handelssysteme.
Konkursrechtliche Aussonderung von Crypto-Assets
Das Bankinsolvenzrecht unterscheidet zwischen Sparguthaben und Depotwerten. Bei Sparguthaben weiss die Bank beispielsweise nicht, welcher Franken welchem Kunden gehört. Aufgrund dieser fehlenden Aussonderbarkeit besteht eine reine Forderung gegenüber der Bank, welche in der Bilanz ausgewiesen und mit Eigenkapital unterlegt werden muss. Demgegenüber ist bei Depotwerten die Aussonderbarkeit gegeben. Diese können in der Ausserbilanz geführt und müssen nicht mit Kapital unterlegt werden.
Mit dem DLT-Gesetz wurde im Bankengesetz («BankG») auch die Definition von Depotwerten ergänzt. Das angepasste BankG erwähnt nun erstmals Crypto-Assets explizit unter der Definition von Depotwerten. Zusätzlich wurden die Anforderungen an die Aussonderbarkeit im Vergleich zum oben erwähnten FINMA-Schreiben präzisiert und vereinfacht. Werden Crypto-Assets nicht analog Wertschriften einzeln verwahrt, sondern in Sammelverwahrung gehalten, hat die Bank, anders als bei Buchgeld, dennoch die Pflicht immer zu wissen, welche Vermögenswerte welchem Kunden gehören. Diese Zuordnung kann etwa über das Kernbankensystem geschehen und muss nicht mehr wie bisher «gesondert pro Kunde auf der Blockchain» erfolgen.
Ein Beispiel
Kundenpositionen, die etwa aus Abwicklungsgründen in der Bilanz gehalten werden mussten, wurden auf der Aktivseite in einem Sammelkonto und auf der Passivseite in einem pro Kunde separaten Crypto-Währungskonto dargestellt. Dieses Konto war wiederum über eine «Omnibus-Wallet-Adresse» mit der Blockchain verbunden. Die Bank war zwar jederzeit in der Lage, über das Kernbankensystem den Anteil eines jeden Kunden am Sammelkonto klar zu definieren, jedoch nicht - wie von der FINMA gefordert - gesondert pro Kunde auf der Blockchain. Für Kundenpositionen in der Ausserbilanz musste für jeden Kunden eine eigene Wallet geführt werden, welche wiederum mit dem Kernbankensystem verbunden war.
Neu können Crypto-Assets von Kunden, die etwa zu Abwicklungszwecken in die Bilanz genommen werden, in der Ausserbilanz gebucht werden, ohne dass dafür zusätzliches Kapital verlangt wird. Eigene Positionen der Bank, etwa im Handelsbuch, müssen weiterhin in der Bilanz geführt und wie bisher risikogewichtet (z.Z. 800%) mit Kapital hinterlegt werden. Die Ausserbilanzpositionen der Kunden können neu statt in separaten Konten (Wallets) in einer «gepoolten» Wallet gemeinsam mit den Vermögenswerten anderer Kunden gehalten werden. Die eindeutige Zuteilung zu den einzelnen Kunden muss nicht mehr über die Blockchain erfolgen, sondern kann auch über das Kernbankensystem sichergestellt werden. Ein Vorteil davon ist, dass bankinterne Kundenaufträge nicht mehr zwingend über die Blockchain abgewickelt werden müssen, sondern unter Einhaltung der Verhaltensvorschriften intern abgerechnet werden können. Daraus kann ein wesentlicher Zeit- und Kostenvorteil (z.B. Mining und Transaktionsgebühren) resultieren.
Grosse Bedeutung
Für Banken, welche als Principal Gegenpartei für die Abwicklung von Kundentransaktionen sind, führt diese Änderung also zu einer Reduktion des Eigenmittelbedarfs. Für Banken, welche für ihre Kunden Crypto-Assets halten, führt es zu einer Steigerung der Abwicklungseffizienz. Insgesamt bedeutet die Änderung eine Stärkung der Crypto-Banken und des Technologiestandorts Schweiz. Und vielleicht leistet die Änderung einen Beitrag zum Erhalt der Daseinsberechtigung der Institution Bank.