ESG-Weckruf für Verwaltungsräte

ESG-Themen sind heute aus der Unternehmensstrategie kaum mehr wegzudenken. Bestrebungen in Bezug auf ESG- und insbesondere auf Governance-Aspekte werden aber immer stärker kritisch hinterfragt. Die Öffentlichkeit sowie Investoren wollen Taten sehen und nicht nur leere Worte, wie das in diesem Zitat aus unbekannter Quelle zum Ausdruck kommt: «Only actions prove who someone is, words just prove who they want to be.»

Vom E übers S bis hin zum G

Schon seit einigen Jahren stehen ESG-Themen im Zentrum strategischer Ausrichtungen. Es gehört quasi zum guten Ton, sich im Rahmen der Strategie-Roadmap mit ESG auseinanderzusetzen. In der Vergangenheit lag der Fokus des öffentlichen Aktivismus und der öffentlichen Initiativen auf den Aspekten Environmental (Umwelt) und Social (Soziales). Viele der jüngsten Fortschritte beziehen sich auf diese zwei Bereiche. Das half, ESG-Themen in den Vordergrund zu rücken und das allgemeine Bewusstsein dafür zu schärfen. In letzter Zeit ist aber ein Umschwung in Richtung Governance zu verzeichnen. Der Handlungsbedarf wird bei den Verwaltungsräten gesehen, die letztlich für die Oberleitung der Gesellschaft verantwortlich sind. Die Erwartungen lasten also vermehrt auf Entscheidungsträgerinnen und -trägern, die de facto dafür verantwortlich sind, wie die Unternehmen schlussendlich handeln. Investorinnen und Investoren, Shareholder und Stakeholder stimmen vermehrt der Aussage von Faydra D. Fields, Dozentin, Autorin und Beraterin, zu: «Beware of those who would pay lip service but refuse to put their money where their mouths are.»

Die Macht der umweltbewussten Bewegung

Repräsentanten der umweltbewussten Bewegung gewinnen verstärkt an Macht. Ist eine Gruppierung der Meinung, dass ein Unternehmen und dessen Verwaltungsrat nicht in ihrem Interesse oder nicht schnell genug handelt, fordern sie zu Massnahmen auf oder nehmen die Dinge selbst in die Hand. Genau dies geschah vor Kurzem bei EXXON: Ein Hedgefonds namens «Engine No. 1» hat von den Aktionärsrechten Gebrauch gemacht und Verwaltungsräte zur Wahl an der Generalversammlung nominiert. Mittels Proxyvoting und durch Beeinflussung anderer Aktionäre gelang es dem Hedgefonds, drei Verwaltungsräte abzusetzen und damit die Führungsetage des Unternehmens zur Anpassung ihrer Strategie zu zwingen.

Es stellt sich somit die Frage, ob andere aktivistische Gruppierungen ähnlich vorgehen könnten, um bei Unternehmen, die sich bisher gegen soziale Reformen gesträubt haben oder von denen eine schnellere Umsetzung gewünscht wird, ebenfalls Erfolge zu erwirken. Die Situation bei EXXON ist bislang ein Einzelfall und eine exakte Wiederholung der Umstände scheint eher unwahrscheinlich. Es ist aber durchaus möglich, dass eine simple Drohung, den Verwaltungsrat genauer unter die Lupe zu nehmen oder eine Abwahlkampagne gegen unerwünschte Verwaltungsräte zu lancieren, bereits ausreichen könnte. Eines ist klar: Das Vorkommnis bei EXXON wird weitere umweltbewusste Gruppierungen dazu motivieren, die Durchsetzung ihrer Ziele aktiv zu erzwingen, wenn die Zeit reif ist und sich eine Gelegenheit bietet. Laut Bloomberg haben Repräsentanten solcher Bewegungen in den USA allein im Jahr 2021 eine rekordhohe Anzahl Anträge eingereicht, die weit über dem Durchschnitt der vorangegangenen fünf Jahre liegt.

ESG-Erwartungen erfüllen und dabei die Kontrolle nicht verlieren

In solch turbulenten Zeiten ist es besonders wichtig, dass Unternehmen und Verwaltungsräte die Erwartungen ihrer Stakeholder verstehen, mit ihnen im Dialog bleiben und so sicherstellen, dass keine Erwartungslücke entsteht.

Durch das Ereignis bei EXXON stieg der Aktienpreis an, nachdem die Aktivistinnen und Aktivisten Teil des Verwaltungsrats geworden waren. Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich der Verwaltungsrat in Zukunft präsentiert und ob er einheitlich auftreten kann. Es ist auf jeden Fall immer besser, die Kontrolle zu behalten und den Wandel im eigenen Tempo resp. zu den eigenen Bedingungen voranzutreiben. Dabei darf nie vergessen gehen, dass die Veränderung mit den Erwartungen der Investorinnen und Investoren in Einklang gebracht werden muss. Ein proaktives Vorgehen ist zweifellos besser, als abzuwarten und letztlich zum Handeln gezwungen zu werden.

Eine ESG-Strategie entsteht nicht über Nacht. Es ist wichtig, frühzeitig damit zu beginnen, Strategie, Prozesse, Reporting sowie Kommunikation und Offenlegung gegenüber den Stakeholdern in Form von definierten Zielen und Vorgabendarzulegen. Auch ein transparentes Reporting ist essenziell. Dabei ist es wichtig, alle drei ESG-Aspekte ausgewogen zu betrachten und die Geschwindigkeit des Wandels mit den Erwartungen der Investorinnen und Investoren in Einklang zu bringen. Echte messbare Ergebnisse werden erwartet. Eine entsprechende Ausrichtung ist äusserst wichtig, denn wie Jeremy Richardson, Senior Portfolio Manager bei RBC Global Asset Management, sagt: «When it’s done right, ESG investing is good business.»

13.01.2022




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