Suitability oder Sustainability oder beides (nicht)?

Das Geschäft mit grünen Investitionsprojekten in nachhaltige Anlagen (z.B. Wind, Sonne, Holz) im kaum regulierten, sogenannten grauen Kapitalmarkt läuft seit einiger Zeit hervorragend. Dieser Graumarktbereich umfasst Unternehmen und Angebote (z.B. geschlossene Fonds, stille Beteiligungen, Genussrechte, GmbH-Anteile, Namensschuldverschreibungen, Partizipationsscheine, ausländische Beteiligungsformen aber auch das für Start-up-Finanzierungen beliebte Crowdfunding), die keiner staatlichen Aufsicht unterstehen. Von den Banken unabhängige Projektentwickler und Emittenten werben mittels Telefon, Flyern, Inseraten oder E-Mail. Sie profitieren davon, dass solche sogenannten Alternativen Investitionen derzeit sehr beliebt sind und ein grosses Angebot am Markt für verschiedenste Kundensegmente verfügbar ist. Denn wer kann schon nein sagen, wenn man mit einer Investition in ein nachhaltiges Projekt die Ozeane schützen, zu einer Reduktion der Plastikverschmutzung beitragen oder das Pflanzen von Bäumen fördern kann?

Diese Produkte werden von den Finanzmarktaufsichtsbehörden nicht beaufsichtigt und sie mahnen vor allem in Deutschland zur Vorsicht bei Angeboten aus dem Graumarktbereich. Es kann auch vorkommen, dass ein Graumarkt-Anbieter aufgrund von schwierigen Marktbedingungen die Renditeversprechungen nicht einhalten kann, wie zuletzt bei einem wegen fehlenden Absatzmärkten gescheiterten Öko-Holzinvestment in Balsa- und Teakholzplantagen in Brasilien. Im Markt für nachhaltige Anlagen gibt es neben vielen seriösen Projekten leider auch zahlreiche schwarze Schafe. Eines der Ziele dieses Beitrags ist es, Ihnen einen Überblick über die Defizite und Abhilfemöglichkeiten aufzuzeigen.

Müssen Anleger im Graumarktbereich besser geschützt werden?

Im Bereich der Graumarkt-Produkte liegt der Fokus der Compliance-Verantwortlichen hauptsächlich auf sogenannten Beteiligungsmodellen, wie z.B. für Immobilien, Windparks oder Medienprojekte. Wie oben schon angetönt, zeichnete sich der graue Kapitalmarkt in seiner bisherigen Verfassung aus durch in der Regel undurchsichtige Geschäftsmodelle - Geld konnte unkontrolliert in irgendwelchen Kanälen versickern - und einzelne Anbieter, die ihre eigenen Interessen, aber nicht diejenigen ihrer Kunden in den Vordergrund stellten. Wenig überraschend führte dies dazu, dass in Deutschland zahlreiche Kleinanleger nach Investitionen in obskure Finanzanlagen jährlich um Millionenbeträge betrogen wurden. Als Konsequenz hat die BaFin die Frage nach dem besseren Schutz klar bejahend beantwortet und gehandelt. Das Anlegerschutz-Stärkungsgesetz wurde mit dem Ziel erarbeitet, dass die Anleger auf dem grauen Kapitalmarkt mehr Transparenz geniessen und sich besser vor Emittenten von dubiosen Produkten schützen können. Es herrscht bei der BaFin und den Investoren aber auch Einigkeit darüber, dass das neue Anlegerschutz-Stärkungsgesetz weder Investoren noch Anleger vor Verlusten wird schützen können. Immerhin soll es den Anlegern aber einen besseren Schutz durch Transparenz und weitere Massnahmen bieten.

Mehr Transparenz beim Anlegerschutz im nicht-regulierten Graumarktbereich

Prospektpflicht
Die Emittenten von Graumarkt-Produkten mussten in der Regel schon unter der bisherigen Regelung einen Prospekt veröffentlichen. Allerdings wurde nur die Vollständigkeit der Angaben geprüft. Die mangelnde Überwachung des Prospektinhalts erleichterte vor allem in Deutschland in den vergangenen Jahren unzählige schwere Betrugsfälle.

Im Gegensatz zur bisherigen Lösung wird neu aber eine Substanzprüfung betreffend inhaltlicher Richtigkeit und Verständlichkeit durchgeführt. Die Regulierung in dem Bereich ist damit etwa vergleichbar mit jener für sogenannt nachhaltige Finanzprodukte.

Verbot von sogenannten Blindpools
Die Finanzmarktgesetze haben unter anderem den Zweck, die Anleger zu schützen, dies durch Erhöhung der Transparenz. Im Rahmen der Europäischen Finanzmarktgesetzgebung ist der Anlegerschutz in den vergangenen Jahren in vielen Bereichen ständig ausgebaut worden. Im Kontext der Finanzangebote aus dem Graumarktbereich gilt es auf die Risiken und Nebenwirkungen dieser sogenannt grünen Investments hinzuweisen. In Deutschland führte dies zum am 16. August 2021 in Kraft getretenen Gesetz zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes (Anlegerschutz-Stärkungsgesetz). Gleichzeitig werden ab sofort Investitionen in sogenannte Blindpools verboten. Denn bei diesen Investitionen war es dem Investor jeweils nicht bekannt, in welches konkrete Projekt sein Geld investiert wurde.

Kontrolle der Mittelverwendung
Ob ein Anbieter oder Emittent ihr Geld tatsächlich für den vorgesehenen Zweck einsetzt, konnten Anlegerinnen und Anleger bislang ebenfalls nicht prüfen. Um diese Prüfung in Zukunft zu gewährleisten, müssen die Emittenten neu einen «Mittelverwendungskontrolleur» bestellen, der betreffend der Graumarkt-Investitionen genau diese Funktion übernehmen soll. Er wird künftig die Freigabe der Mittel zur Verwendung und auch die tatsächliche Verwendung kontrollieren. Für diese neue Rolle kommen aber ausschliesslich Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer bzw. von diesen gebildete Gesellschaften in Frage.

Weitere Punkte
Ausserdem führt das neue Gesetz eine Beratungspflicht oder eine Anlagevermittlung durch entsprechend geschulte Fachpersonen ein. Mehr Transparenz soll auch durch die Digitalisierung und Publikation der jeweiligen Vermögensanlage geschaffen werden.

Entwicklung des Anlagerschutzes in der Schweiz

In der Schweiz nahm die FINMA diese Entwicklungen als Anstoss, um auch hier den Schutz der Anleger in der Vermögensverwaltung und der Anlageberatung zu verbessern, und zwar in Anlehnung an die europäische MiFID II-Regelung. Dabei wurde mit dem neuen FIDLEG in Sachen Verhaltensregeln, Transparenz und Kundenschutz bereits viel erreicht. Und dank der weitgreifenden Definitionen in Vorgängergesetzen wie dem Börsen- und Effektenhandelsgesetz BEHG und dem Kollektivanlagengesetz (KAG) verfügte die Schweiz bereits seit mehreren Jahrzehnten über einen Anlegerschutz, der das Entstehen eines grauen Kapitalmarktsegments verhinderte.

Im Gegensatz zur BaFin setzt die FINMA nicht auf spezialgesetzliche Regelungen, sondern versteht den Anleger als mündigen Menschen und sieht es als die treuhänderische Pflicht der Banken, die Bedürfnisse ihrer Kunden jeweils präzise abzuklären und den Anleger durch Information, Aufklärung und Warnung in die Lage zu versetzen, eigenverantwortliche Anlageentscheide zu treffen. Dazu gehört natürlich auch, dass der Anlageberater nur solche Investments verkauft, die einerseits dem Risikoprofil der jeweiligen Kundschaft und neu auch den Klima- und Nachhaltigkeitszielen des Bundesrates entsprechen.

02.12.2021




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