Tax Suitability in der Vermögensverwaltung – Quo Vadis?

Vorschriften zum Anlegerschutz wie das Schweizer Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) oder die EU-Richtlinie MiFID II enthalten entweder keine oder nur schwammige Aussagen zu einem kontroversen Thema der Vermögensverwaltungsbranche: Müssen Anleger auch vor Produkten geschützt werden, die aus steuerlicher Sicht ungeeignet sind?

Die Einkommensteuer ist ein Faktum, das je nach Heimatland des Anlegers schnell 20% bis 45% der Portfolioperformance aufzehren kann. Dennoch halten sich Vermögensverwalter bei diesem Thema gerne bedeckt und verweisen Kunden stattdessen an ihren Steuerberater, um «die steuerlichen Auswirkungen einer vorgeschlagenen Anlage zu beurteilen».

Interessanterweise gibt es aber jemanden, der eine Antwort auf diese Frage hat: der Schweizerische Bankenombudsman!

Die Weisheit des Schweizerischen Bankenombudsman

Der Schweizerische Bankenombudsman bietet als neutraler Vermittler unabhängige Informationen und Mediationsdienste. Er nimmt sich unter anderem der Kundenbeschwerden über Schweizer Banken an. Auf seiner Webseite publiziert der Ombudsman regelmässig Fälle von eklatantem Missmanagement, bei denen Anleger steuerliche Schäden davongetragen haben. Hier zwei Beispiele:

  • Bei Vermögensverwaltungsmandaten weist der Ombudsman eindringlich darauf hin, dass «administrative Handlungen [durch die Bank] zu vermeiden sind, die zu so hohen Steuerbelastungen führen, dass sie die Anlageperformance gefährden. Dies gehört zu den Pflichten der Banken als Vermögensverwalter und hat nichts mit Steuerberatung zu tun. Im vorliegenden Fall hat eine Kundin über 10% ihres Anlagevermögens allein durch Steuern eingebüsst.»
     
  • Ein anderer Fall von Anlageberatung (Advisory) wird folgendermassen kommentiert: «Auch wenn der vorliegende Vertrag keine Steuerberatung beinhaltet, darf eine Bank nach Meinung des Ombudsman aufgrund ihrer Sorgfaltspflicht bei der Anlageberatung keine Produkte empfehlen, die ungeachtet der persönlichen steuerlichen Situation eines Kunden aufgrund seines Steuerdomizils zu einer vermeidbaren Steuerbelastung führen und das erzielbare Nachsteuerergebnis in erheblichem Mass negativ beeinflussen. Ob das im vorliegenden Fall konkret betroffene strukturierte Produkt in diesem Sinn als <steuerschädlich> einzustufen ist, bleibt jedoch fraglich.»

Der Ombudsman – der nicht mit einem Gericht zu verwechseln ist – verschweigt aus Vorsichtsgründen die rechtliche Grundlage, auf der seine Argumentation beruht. Dies gilt umso mehr, weil bis dato keine Zivilrechtsprechung zu diesem Thema vorliegt. Die genannten Fälle zeigen, dass es sich bei Anlageprodukten um wahre «Steuerbomben» – wie steuerschädliche Produkte umgangssprachlich genannt werden – handeln muss, damit die Sorgfaltspflicht der Banker greift bzw. ihr Eingreifen zu fordern ist.

Produkte, die als Steuerbomben gelten, verursachen enorme Mehrkosten für den Kunden, unterliegen zum Teil zusätzlichen Berichtspflichten, und es können sogar Geldbussen oder Strafen für sie verhängt werden. Zudem sind potenzielle Verluste nicht steuerlich abzugsfähig. Zum Glück gibt es nur wenige solcher Produkte in jedem Referenzmarkt.

Was schliessen wir daraus?

Unser Fazit lautet, dass Anleger nicht unbedingt vor steuerlich ungeeigneten, unangemessenen oder suboptimalen Produkten geschützt werden müssen, sehr wohl aber vor Steuerbomben. Deshalb sollte sich jede automatisierte oder konventionelle Lösung zum Thema Tax Suitability ohne überflüssige Details und Komplexitäten zuerst auf Steuerbomben im jeweiligen Markt konzentrieren.

10.12.2020




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